Die Bogeneckverzahnungen
Das Sammeln von Bogenecken erfreut sich zunehmender Beliebtheit, zumal zeitgleich das Sammeln von Briefmarken nach Ländern in Vordruckalben zurückgeht. Die Vordruckalben sind meistens so gestaltet, das nur der Platz für die Marke vorgesehen ist. Randstücke passen nicht ins Bild. So wurde von den Albenherstellern viel Wert auf die Seitengestaltung und das äußere Erscheinungsbild der Vordruckalben gelegt. Die jährlich erscheinenden Nachträge und die schönen Einbände aus Leder ließen die Kosten für die Alben irgendwann mal über den Wert der darin untergebrachten Briefmarken ansteigen.
Damit Marken mit Rändern von den Sammlern in Vordruckalben untergebracht werden konnten, wurden die Ränder in der Vergangenheit gefaltet und nach hinten geklappt. Eine Unsitte, die manche Sammler heute noch bereuen, denn die gefalteten Bogenecken sind genauso viel oder so wenig wert, wie eine Marke ohne Ränder. Man hätte die Ränder gleich abtrennen können, was viele Sammler auch gemacht haben, um die Optik im Vordruckalbum zu erhalten.
Eckrandsammler sind Ästheten und kennen keine Kompromisse. Der Rand muss genauso erhalten sein wie die Marke. D. h: Bei einer postfrischen Briefmarke muss der Rand ebenfalls postfrisch sein. Also keinerlei Makel wie Flecken, Knicke oder Falz im Rand haben.
Formnummern-Sammler sammeln Eckrandstücke mit der kleinen Zahl, die meistens im rechten unteren Eckrand steht. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich bei einigen Marken die Formnummer auch in der linken unteren Ecke befindet. Plattennummern findet man bei den Posthorn-Werten auch auf dem oberen Bogenrand. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht von weiteren Ausnahmen sprechen.
Die Formnummern dienen zur Nummerierung der Formen innerhalb einer Druckplatte und es gibt maximal so viele Formnummern von einer Marke, wie es Formen gab. Wenn ich maximal sage, meine ich, dass es auch weniger Formnummern geben kann als die Anzahl von Formen. Das resultiert daraus, dass einige Formen einfach keine Nummer erhalten haben oder die Formnummern 1 und 2 doppelt vergeben wurden. Man könnte das Thema weiter vertiefen, aber ich möchte mich an dieser Stelle kurzfassen und auf den Artikel „Kleine Bogenschnittkunde“ verweisen, der sich auf dieser Seite befindet.
Für den Sammler ist wichtig: Welche Formnummern wurden für welche Marken vergeben. Bekannt sind Formnummer 1 - 6. Von der Häufigkeit kann man sagen, das die Kombination Formnummer 1 + 2 dominiert, gefolgt von den Formnummern 1 – 3 im 3-Formendruck. Marken mit 4 Formnummern sind schon seltener. 6 Formnummern wurden in den 1960er-Jahren nur für die Lübke-Marken (Mi. Nr. 542/543) vergeben. In den 1990-Jahren wurden die Mi. Nrn. 1576/77 mit 6 Formnummern gedruckt.
Wenn man sich mit Bogenecken, Eckrändern und Formnummern von Briefmarken beschäftigt, gelangt man früher und später auf den Namen Günther Schwarz. Günther Schwarz hatte bereits in den 1960er-Jahren die Vielfalt bei den Bogenecken von Briefmarken erkannt. Er hat einige Spezialkataloge über die Formnummern von Bund, Berlin und OPD-Saar veröffentlicht. Bei OPD-Saar muss man richtigerweise sagen, „Die Bogensignaturen der OPD-Saarbrücken“. Bei diesem kleinen Spezialkatalog hat er sich nicht nur mit den Formnummern auseinandergesetzt, sondern den ganzen Bogen untersucht und schlussendlich alle 4 Bogenecken und sämtliche Randmarkierungen (Bogenrandsignaturen) erwähnt. Günther Schwarz war ein Pionier auf dem Gebiet der Bogenecken und Formnummern.
Was sind Eckverzahnungen?
Und nun kommen wir zum eigentlichen Thema, den Bogeneckverzahnungen. Es werden nicht nur die Formnummern gesammelt, sondern auch die Eckverzahnung der Marken. So ist besonders in den 1960-Jahren eine Vielfalt von Bogeneckverzahnungen entstanden, die das Sammeln von Bogenecken interessant macht.
Eckverzahnungen beschreiben ob und wie ein Markenbogen an den Rändern gezähnt ist. In den Bogenecken sind beide Richtungen - die waagerechte als auch die senkrechte Zähnung - zu erkennen. Dabei wird grundsätzlich zwischen durchgezähntem (dgz) und nicht durchgezähntem (ndgz) Rand unterschieden.
- Beim durchgezähnten Rand ist kein Ende die Zähnung zu erkennen, die Zähnung läuft über den Rand hinaus.
- Beim ndgz Rand ist ein Ende sichtbar. D.h: Nach dem letzten Zahnloch folgt ein Abstand zum Bogenrand.
Damit die Kriterien für ndgz erfüllt sind, muss der verbleibende Abstand zum Rand so groß sein, dass eindeutig kein weiteres Zahnloch mehr folgen kann. Präzise ausgedrückt: Der verbleibende Abstand vom letzten Zahnloch zum Bogenrand muss größer sein, als der Abstand zwischen 2 Zahnlöchern.
Wodurch sind Eckverzahnungen entstanden?
Hier muss man 2 Typen unterscheiden. Primäre und sekundäre Eckverzahnungen.
Primäre Eckverzahnungen sind durch die Zähnungsmaschine vorgegeben. Markenbogen wurden gleichzeitig auf bis zu 6 Maschinen gezähnt, und jede Maschine hatte die Zähnungsnadeln anders gesetzt. Warum? Ich habe bisher offiziell keine Antwort darauf gefunden. Wahrscheinlich steckte ein System dahinter, das dazu diente, bei Reklamationen die Zähnungsmaschine zu identifizieren. Also die gleiche Funktion, wie bei den Druckerzeichen, die einen Rückschluss auf den zuständigen Drucker erlauben.
Sekundäre Bogeneckverzahnungen entstehen durch den Bogenschnitt. Normalerweise sollten die Bogen immer an derselben Stelle geschnitten werden. Aber in der Praxis fallen die Bogenränder bei den gleichen Marken unterschiedlich aus. So erscheinen zur Freude der Sammler mehr oder weniger breite Bogenränder, die oft weit über die letzte gesetzte Zähnungsnadel hinausgehen.
Wie definiert man nun diese Bogeneckverzahnungen? Auch hier hatte Herr Schwarz eine Führungsrolle übernommen und einen sogenannten Eckverzahnungsschlüssel entwickelt. Dafür hatte er einen Buchstabencode entwickelt und die Buchstaben durch das ganze Alphabet von A-X vergeben. Als das nicht reichte, wurde das Alphabet noch einmal durchlaufen und 2-stellige Codes in Kombination mit Groß- und Kleinbuchstaben vergeben. Zu guter Letzt entstanden aufgrund der Vielfalt von vorkommenden Eckverzahnungen 3-stellige Buchstabenkombinationen. Es sind 122 Kombinationen geworden. Ich vermute mal, dass Herr Schwarz am Anfang auch nicht wusste, welchen Umfang dieses Thema erreichen würde. Dabei sind kryptische Bezeichnungen entstanden wie: Amg, Ank, Akj, Xk, Yg...
Ich habe versucht, mit dem Code zu arbeiten und ihn zum Teil auswendig gelernt. Aber wenn ich dann mal im Urlaub war oder aus anderen Gründen 4 Wochen die Briefmarken nicht angefasst habe, war der Code bis auf die gängigen Varianten wieder aus meinem Kopf. Vielleicht ist mein Gehirn etwas anders strukturiert als das anderer Sammler. Ich konnte mit dem Code nur arbeiten, wenn ich den Eckverzahnungsschlüssel ständig neben mir liegen hatte. Dabei erinnerte mich der Code an den kalten Krieg der 1960er-Jahre, in denen sich Ost- und Westagenten gegenseitig ausspionierten und mit Geheimcodes ihre Informationen austauschten. Aber hier geht es nur um Briefmarken. Wir haben nichts zu verbergen und brauchen keine Geheimcodes, die nur schwer zu verstehen sind.
Irgendwann habe ich mal den Sinn dieses Codes hinterfragt. Jeder Sammler, der Eckverzahnungen sammelt, muss die Zahnlöcher zählen. Egal ob er die Marken sucht, kauft oder einsortiert, er muss die Zahnlöcher zählen! Z. B. 10 Zl. waagerecht und 6 Zahnlöcher senkrecht. Wozu der Code? Das Zählergebnis ist bereits der Code! Muss ich das Zählergebnis nochmals in einen Buchstabencode umsetzen? Nein! Ich kann die Eckverzahnung direkt im Klartext angeben, genauso, wie ich die Größe eines Bilderrahmens beschreibe (z. B. 40x80).
Wenn ich also eine Marke mit der Eckverzahnung wie oben beschrieben vorliegen habe (10 Zahnlöcher waag. und 6 Zahnlöcher senkr.), lautet die Eckverzahnung ganz einfach 10/6, man kann auch schreiben 10-6. Es geht nur darum, die waagerechten Zahnlöcher ins Verhältnis zu den senkrechten Zahnlöchern zu definieren. Diese Schreibweise ist selbsterklärend und benötigt keine Umsetzungstabelle.
Um den Unterschied bei Marken mit gleicher Formnummer zu definieren, kann man also für waagerecht 6 Zl. und senkrecht 1Zl. schreiben 6/1 oder bei mehr als 6 Zl. = +6/1.
Ein weiterer Nachteil des Eckverzahnungsschlüssels ist, dass trotz der 122 Kombinationen nicht alle möglichen codiert sind. Es geht um die überbreiten Stücke, bei denen durch Bogenschnitt nach z. B. 6Zl. waag. ein weiteres Zl. vom Nachbarbogen dazu kommt. Man kann das schreiben 6+1/1. Es kommen auch Marken mit 2 Zl. vom Nachbarbogen (6+2/1) oder 3 Zl. (6+3/1) vor. Solche Stücke werden gesammelt und sind begehrt! Nach Schwarz werden die Stücke aus diesem Beispiel alle unter der sogenannten X-Zähnung zusammengefasst.
Man ganz schön Eindruck schinden, wenn man z. B. Marken von Bund mit der Bezeichnung 407 3Acl sucht. Das Sammeln von Spezialgebieten sollte aber nicht einem elitären Kreis vorbehalten bleiben und man sollte es nicht komplizierter machen als notwendig. Der Briefmarkenmarkt hat Probleme genug, deshalb müssen wir nicht noch potenzielle Sammler abschrecken und ausgrenzen. Obwohl ich mich bereits eingangs voller Lobes über die Arbeit von Herrn Schwarz geäußert habe, verwende ich den Eckverzahnungsschlüssel nicht.
Briefmarkensammeln soll Spaß machen. Deshalb sollte man Klartext schreiben!
Klaus Straßberger